Portal zu Ausbildung und Studium in Luft- und Raumfahrt

Vom Azubi mit Profil zum Industriemechaniker: Stefan Ratke

Ein sympathischer Typ, der da vor mir sitzt: Stefan Ratke und ich treffen uns an einem sonnigen Apriltag im funkelnagelneuen Ausbildungszentrum des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) in Köln. Stefan Ratke ist 25 Jahre alt und Auszubildender im Berufsbild des Industriemechanikers mit der Fachrichtung Feingerätebau im dritten (und letzten) Lehrjahr. Eigentlich müsste Stefan Ratke ganz schön nervös sein, denn die Abschlussprüfung lässt nicht mehr lange auf sich warten - handwerkliche Arbeiten am „Facharbeiterstück" und Theoriebüffeln stehen an. Trotzdem wirkt er ganz entspannt und beantwortet geduldig meine Fragen. Was hat ihn zum DLR beziehungsweise zu seiner Ausbildung im DLR gebracht? Aufmerksam auf das breite Ausbildungsangebot des DLR wurde er durch eine Zeitungsanzeige. „Mir war zunächst einmal wichtig, überhaupt einen Ausbildungsplatz zu bekommen", sagt Stefan Ratke und ergänzt: „Dass es dann sogar das DLR wurde, ist natürlich super."

Industriemechaniker im DLR: „Das ist schon etwas Besonderes"

Das Besondere an einer Ausbildung zum Industriemechaniker im DLR im Vergleich zur Industrie sei, dass man sich entfalten und Dinge ausprobieren könne. „Wir werden erstmal in Ruhe gelassen und nicht direkt, nachdem wir die ersten Handgriffe gelernt haben, in der Produktion voll eingesetzt", merkt Stefan Ratke an und fügt hinzu: „Natürlich kommen auch wir in die Produktion, allerdings erst nach eineinhalb Jahren, da hat man dann schon eine gewisse Routine." Ein deutlicher Mehrwert der Ausbildung im DLR also, wie auch Ausbilder Jörg Hofmann bestätigt, der sich inzwischen zu uns gesellt hat. „Wir schaffen mit drei Ausbildern hier in den ersten eineinhalb Jahren eine solide Grundlage für die spätere Arbeit in der Produktion, aber natürlich produzieren die Azubis auch in dieser Zeit schon erste Teile, beispielsweise für unsere Fertigung im DLR Systemhaus Technik", sagt er.

DLR-Forschungsrakete Mapheus

In der Mitte des zweiten Lehrjahres sieht der Ausbildungsplan dann den so genannten „Institutsumlauf" vor. Die Auszubildenden werden im Rotationsverfahren in den Werkstätten und an den Prüfständen der wissenschaftlichen DLR-Institute eingesetzt und arbeiten für jeweils zehn Wochen an konkreten Projekten mit, nicht selten mit direktem Bezug zu Raumfahrt-Missionen. „Das ist schon etwas Besonderes. Man fertigt eben nicht nur irgendeine Pumpe, sondern unter Umständen ein Bauteil, dass dann tatsächlich auch an Bord einer Rakete ins All fliegt", sagt Stefan Ratke. Und genau dieses Erfolgserlebnis wurde Stefan Ratke zuteil. Während seines Einsatzes im DLR-Institut für Materialphysik im Weltraum arbeitete er am kompletten prototypischen Versuchsaufbau eines Schwerelosigkeits-Experimentes zum Erstarren einer Aluminiumschmelze mit. Viele der gefertigten Teile flogen im Mai 2009 an Bord der DLR-Forschungsrakete Mapheus-01 ins All.

Von Marsrover-Rädern und Planetenbohrern

"Unser Vorteil hier im DLR ist, dass wir keine Serienfertigung haben und man dementsprechend dann bei Auflagen von ein- bis zweitausend Stück nur an der Maschine stehen und das Knöpfchen drücken würde - das hier ist alles Prototypenbau", merkt Ausbilder Jörg Hofmann an. Interessante Aufträge gibt es zur Genüge - von Marsrover-Rädern über Planetenbohrer bis hin zu Satellitenbauteilen. „Wo es während des Institutsdurchlaufs am interessantesten ist, kann man eigentlich gar nicht sagen. Am Institut für Luft- und Raumfahrtmedizin ist man beispielsweise stark in Konstruktionsarbeiten eingebunden, das ist ziemlich spannend, andererseits hat aber auch das Bearbeiten besonderer Materialien wie Graphit oder Aerogel, beispielsweise im Institut für Materialphysik im Weltraum, seinen Reiz", sagt Stefan Ratke.

Vom Weltraum kommen wir zurück zu den irdischen Tatsachen. Ich will wissen, wie man sich als Azubi so durchs Leben schlägt und ob die Ausbildungsvergütung stimmt. Immerhin hat Stefan Ratke Familie, ist verheiratet, hat einen kleinen Sohn und ist unter den durchschnittlich 17- bis 19-jährigen Azubis mit seinen 25 Jahren nicht mehr der Jüngste. „Seit unser Tarifvertrag, der TVÖD, nachgezogen hat und wir nun ähnlich bezahlt werden wie die Azubis draußen in der Industrie, ist es wieder attraktiver geworden", sagt Stefan Ratke, der sich gut auskennt - er war unter anderem Gesamtjugendvertreter. Im Rahmen dieser verantwortungsvollen Aufgabe setzte sich Stefan Ratke im DLR-Gesamtbetriebsrat und in der Arbeitsgruppe zur Weiterbeschäftigung von Ausgebildeten für die Interessen der rund 250 Azubis im DLR ein. Neben Industriemechanikern bildet das DLR in insgesamt 22 Berufen wie beispielsweise Elektroniker, Technischer Zeichner, Fotograf oder Kauffrau/Kaufmann für Bürokommunikation aus. Viele von ihnen kennen sich untereinander, man ist gut organisiert und tauscht sich in regelmäßigen Treffen und in Gremien aus.

Stefan Ratke und Jörg Hofmann

Perspektiven: „Von Weiterbildungsmaßnahmen bis hin zum Studium ist alles drin

Unser lebendiges Gespräch dreht sich nun um die Frage, was nach erfolgreich abgeschlossener Ausbildung passiert. Stefan Ratke grinst, seine Augen funkeln. „Nach der Ausbildung strebe ich natürlich eine Übernahme an", sagt er ohne zu zögern. Auch dem ansonsten eher streng dreinblickenden Ausbilder Jörg Hofmann entlockt diese Chuzpe ein Lächeln. „Alles ist möglich", sagt er und ergänzt: „Bei entsprechender Leistung kann man Vorarbeiter werden, einen weiteren Abschluss als Techniker oder Meister machen - von Weiterbildungsmaßnahmen bis hin zum Studium ist alles drin. Ich beispielsweise habe im DLR meinen Meister gemacht und bin dann Ausbilder geworden."

Im Durchschnitt schlagen etwa 50 Prozent der fertig ausgebildeten Industriemechaniker den „Weiterbildungsweg" ein oder wechseln in die Industrie. Die anderen 50 Prozent werden übernommen und kommen dann in der Regel in Werkstätten der DLR-Institute, beispielsweise im DLR-Institut für Antriebstechnik oder im DLR-Institut für Materialphysik im Weltraum, aber auch in der Fertigung des DLR Systemhaus Technik unter. „Auch draußen werden unsere Leute gerne genommen", sagt Jörg Hofmann und spielt auf die Tatsache an, dass die Qualität der DLR-Ausbildung auch extern geschätzt wird und so mancher (Ex-)Azubi auch in Wirtschaft und Industrie gut untergekommen ist. Er fügt allerdings hinzu: „Das DLR bildet auf Grundlage seines öffentlichen Auftrages ganz klar über Bedarf aus und kann daher keine Garantie für eine Übernahme geben."

Alltag eines Industriemechanikers im DLR: Computergesteuerte Maschinen mit hoher Präzision

Der typische Arbeitstag eines Auszubildenden im Berufsbild des Industriemechanikers im DLR ist stark vom Praxisbezug geprägt. „Bei bis zu zwei Tagen Berufsschule pro Woche sind wir in puncto Theorie eigentlich nur ergänzend tätig", sagt Ausbilder Hofmann und fügt hinzu: „Wir legen schon besonderen Wert auf die praktische Ausbildung, die in vielerlei Hinsicht heute zu kurz kommt." Dass die Theorie aber auch im „Betrieb DLR" nicht zu kurz kommt, davon zeugt nicht nur der tipptopp, unter anderem mit genügend PCs und einem modernen Präsentationssystem ausgestattete Seminarraum des neuen, lichtdurchfluteten Ausbildungszentrums, sondern auch Hofmann selbst: „Selbstverständlich vermitteln auch wir Theorie, arbeiten mit den Azubis Schulungsunterlagen durch oder besprechen und lösen Probleme aus der Berufsschule." Wird im ersten Ausbildungsblock noch vieles in Handarbeit gefertigt, um die Grundlagen zu erlernen, so wird die Ausbildung später immer technischer. „Heutzutage wird nur noch sehr wenig von Hand gefertigt, das machen wir alles auf ein hundertstel Millimeter genau an der Maschine", sagt Stefan Ratke. Unter anderem erhalten die Azubis eine komplette Ausbildung für CNC-Maschinen. CNC steht für Computerized Numerical Control, die entsprechenden Maschinen arbeiten computergesteuert mit hoher Präzision und sind aus dem Alltag eines Industriemechanikers heute nicht mehr wegzudenken. Darüber hinaus ist der Alltag im Ausbildungszentrum ziemlich durchstrukturiert: Bei 39 Wochenstunden geht es um 7.15 Uhr los, Schluss ist um 16.10 Uhr. Die Gleitzeit ist hier, im Gegensatz zu den Institutswerkstätten, außer Kraft gesetzt. Es gibt feste Zeiten für Arbeitsbeginn und Ende sowie feste Pausenzeiten. „Anders wäre eine vernünftige Ausbildungsplanung auch nicht möglich", sagt Jörg Hofmann hierzu.

DLR-Ausbildungszentrum in Köln

Rückblick: „Azubis im DLR haben die besseren Karten" - und sind „alles andere als billige Arbeitskräfte"

Zeit für einen Rückblick, drei Ausbildungsjahre liegen nun hinter Stefan Ratke: „Wie fühlst Du Dich? Hast Du das richtige für Dich gefunden, würdest Du Dich noch mal für diese  Ausbildung entscheiden?", will ich wissen. „Im Großen und Ganzen bin ich sehr zufrieden. Mein Vater ist in der Industrie tätig, von daher wusste ich relativ genau, was auf mich zukommt", antwortet Stefan Ratke. „Mir hat es ziemlich gut gefallen und ich würde es jederzeit wieder so machen", fährt er fort, „auch wenn man offen gesagt die wirklichen Vorteile der Ausbildung hier vielleicht erst im zweiten Lehrjahr kennen und schätzen lernt. Nach der ersten Prüfung habe ich an den guten Ergebnissen der DLR-Azubis doch deutlich gemerkt, dass wir hier die besseren Karten haben", sagt Stefan Ratke mit ein wenig Stolz. Sein Ausbilder Jörg Hofmann ergänzt: „Wir nehmen die Ausbildung hier sehr ernst. Azubis sind für uns alles andere als billige Arbeitskräfte."

Die Arbeitsbedingungen in der neuen Ausbildungswerkstatt sind darüber hinaus optimal. Seit August 2008 arbeiten Ausbilder und Auszubildende in einem hellen, modernen Gebäude mit hohen Decken an einer Vielzahl modernster Maschinen. „Der Umzug hierhin war schon ein Highlight. Beim Arbeiten durch diese Riesen-Fensterfront ab und an hinaus ins Grüne zu schauen ist schon toll", sagt Stefan Ratke und Jörg Hofmann stimmt ihm zu. Waren früher die Decken niedrig und die Zahl der Maschinen klein, so herrscht eben heute das genaue Gegenteil. Die neu angeschafften Maschinen der Ausbildungswerkstatt sind übrigens dieselben, an denen die Azubis geprüft werden.

Wenig später …

Zwei Monate nach unserem Gespräch treffe ich Stefan Ratke wieder - zufrieden und glücklich. Er hat seine Ausbildung mit „Gut" bestanden und arbeitet als Industriemechaniker in der Zentralwerkstatt des DLR Systemhaus Technik in Köln-Porz. Es kann weitergehen - die Karriere hat gerade erst begonnen.