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„Das werde ich später herausfinden" - Der DLR-Asteroidenforscher Dr. Alan Harris

„Überraschung!" - Alan Harris liebt dieses Wort. Es passt auch gut zu Charakter und Beruf des 58-jährigen Briten. Der promovierte Physiker ist „DLR-Seniorwissenschaftler" am Berliner DLR-Institut für Planetenforschung in der Abteilung "Asteroiden und Kometen". Als Wissenschaftler weiß er, dass seine Forschung immer wieder zu Überraschungen führt und neue Fragen aufwirft. „Das werde ich später herausfinden, das ist mir jetzt noch unbekannt", sagt er dann und lächelt verschmitzt. Für den Menschen Alan Harris gehören Neugier und Begeisterungsfähigkeit auch nach 30 Jahren Berufserfahrung noch zum Forscherglück.

Das Interesse an Astronomie begleitet den in der englischen Industriestadt Birmingham Geborenen von klein auf: „Schon als Kind habe ich mich für die Sterne interessiert und vor allem nachts den Himmel beobachtet. Ich habe mich immer gefragt: Was ist das, woher kommen sie, was haben sie zu bedeuten? Meine Mutter konnte mir diese Fragen nicht beantworten und so habe ich mein Wissen zunächst aus Büchern gezogen", berichtet der Mann mit den lebhaften braunen Augen.

Woher kommen Asteroiden und Kometen?

Herauszufinden, wie unser Kosmos vor Millionen von Jahren entstanden ist, welche Rolle Planeten, Sterne und die anderen Himmelskörper in unserem Sonnensystem spielen, woher Asteroiden und Kometen kommen und warum ihre Einschläge so verheerend sind - Themen wie diese gehen dem DLR-Wissenschaftler nicht aus dem Kopf. Darunter auch die Frage, wann die Erde das nächste Mal von einem Asteroiden getroffen wird. „Das kann morgen sein oder auch erst in 100.000 Jahren", sagt der Astrophysiker. "Grundsätzlich sind Kollisionen ein natürlicher Prozess in unserem Sonnensystem. Ohne diesen Prozess gibt es keine Planeten und auch kein Leben auf der Erde."

Kometen und Asteroiden sieht Alan Harris als eine Art Transportmittel, unter anderem für lebenswichtige Materialien. „Ohne diese können wir die Entstehung und Entwicklung von Planeten nicht verstehen", erklärt er. Kometen sind deshalb für Astronomen so interessant, weil sie - rund 4,6 Milliarden Jahre alt - quasi ein Stück „Urmaterie" des Weltraums in sich tragen. Wissenschaftler hoffen, von den Klumpen aus Stein und gefrorenen Gasen etwas über den Ursprung des Lebens zu erfahren. Asteroiden sind in den meisten Fällen Bruchstücke von Zusammenstößen größerer Körper oder auch der Rest eines ausgebrannten Kometen. In ihrer Entwicklung vom Staubkorn zum Planeten sind sie irgendwo „steckengeblieben": Manche haben einen Durchmesser von vielen hundert Kilometern, andere sind nur so groß wie ein Kieselstein.

Millionen Jahre alte Kollisionen mit der Erde

Die Planeten unseres Sonnensystems bewegen sich auf gleichbleibenden Bahnen um die Sonne. Sie sind also für Wissenschaftler wie Alan Harris genau berechenbar. In der Theorie trifft dies auch auf Kometen und Asteroiden zu. Mit dem Unterschied, dass sie verhältnismäßig klein und leicht sind und durch verschiedene Kräfte, zum Beispiel die Gravitation anderer Himmelskörper, abgelenkt werden. Damit kann es gefährlich werden.

„Im Laufe ihrer Geschichte ist auch die Erde oft von Asteroiden und Kometen getroffen worden, allerdings sind die letzten Kollisionen mit globalen Effekten schon Millionen Jahre her", berichtet Alan Harris. So schlug beispielsweise ein Doppel-Asteroid vor zirka 15 Millionen Jahren am heutigen Nördlinger Ries (Bayern) und am Steinheimer Becken (Baden-Württemberg) ein und hinterließ Krater von jeweils rund 25 und 3 Kilometern Durchmesser. „Hierbei handelte es sich wohl um einen Asteroiden mit einem Durchmesser von etwa einem Kilometer, der sogar einen Mond hatte. Das Objekt traf mit der enormen Geschwindigkeit von etwa 15 Kilometern pro Sekunde in die Erdoberfläche", schildert der Wissenschaftler des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR). Ein derartiger Einschlag setzt unvorstellbare kinetische Energie frei. „Das ist viel schlimmer als ein Vulkanausbruch oder ein Erdbeben und hat globale Auswirkungen. Da wir aber keine konkreten Erfahrungen mit Asteroiden-Einschlägen haben, können wir diese nur modellieren, also versuchen, mit physikalischen und mathematischen Gesetzen die Effekte zu erforschen, die ein Asteroid auf der Erde hinterlassen würde."

Asteroid Gaspra

Das Risiko eines Asteroiden-Einschlags in den Griff bekommen

Astrophysiker Harris gibt zu, dass es sich dabei zwar um ein reales, aber sehr seltenes Ereignis handelt; dass ein Großteil seiner täglichen Arbeit nicht unbedingt der Abwehr von Asteroiden gilt, sondern vielmehr der Erforschung ihrer „physikalischen Eigenschaften", das heißt ihrer Form, Dichte, Struktur und Oberflächenbeschaffenheit, aber auch ihrer Geschichte. „Das sind Erkenntnisse, die der Grundlagenforschung des Sonnensystems dienen, die aber auch für potenzielle Schutzmaßnahmen wichtig sind und die es uns ermöglichen können, das Risiko eines Einschlags in den Griff zu bekommen", fasst der DLR-Forscher zusammen. Im Fokus stehen dabei besonders die so genannten erdnahen Asteroiden. „Von den größeren dieser Art kennen wir rund 90 Prozent, aber es gibt viele kleinere und auch versteckte, die wir nicht beobachten können."

Doch wie kam der „Asteroidenjäger" Alan Harris zum DLR? Nach seinem Schulabschluss studiert er an der Universität von Leeds zunächst Physik und promoviert in der Fachrichtung Astronomie. „Wir haben damals ein Teleskop gebaut, das mit einer sehr hoch fliegenden Ballongondel Infrarotstrahlung empfangen konnte", erinnert sich der 58-Jährige. 1977 schließt Harris seine Promotion in Infrarotastronomie ab und geht als „Postdoc" zum Max-Planck-Institut für Astronomie nach Heidelberg. Nach einer weiteren Station beim Astronomiezentrum der Europäischen Weltraumorganisation (ESAC) in Madrid kehrt er 1986 zurück nach England und beschäftigt sich am Rutherford-Appleton-Laboratory in der Nähe von Oxford mit Astrophysik. 1989 wechselt er ans Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik nach Garching - und kommt in Kontakt mit den Planetenforschern des DLR, die damals noch in Oberpfaffenhofen bei München beheimatet sind.

Herzensangelegenheit: Der Austausch mit dem wissenschaftlichen Nachwuchs

Die Wiedervereinigung katapultiert das Institut nach Berlin - Harris geht mit Frau und Tochter mit. Seit Juli 1993 steht sein Schreibtisch im Büro 321 des DLR-Standorts in Berlin-Adlershof. Hier stapeln sich wissenschaftliche Paper und Bücher, der PC läuft, Fotos und Poster greifen schlaglichtartig besondere Momente aus 30 Jahren Astrophysik und Planetenforschung auf. Auch der Austausch mit dem wissenschaftlichen Nachwuchs liegt Harris sehr am Herzen: Regelmäßig betreut er Doktoranden, diskutiert zum Beispiel beim gemeinsamen Mittagessen mit ihnen.

Einen festen Platz in seinem Kalender hat neben zahlreichen internationalen Veranstaltungen und Kongressen die alle drei Jahre stattfindende Tagung „Asteroids, Comets, Meteors" (ACM) der Internationalen Astronomischen Union.  Beim ACM in Ithaca im US-Bundesstaat New York 1999 ist der Astrophysiker „geadelt" worden: Der Asteroid „(7737) Sirrah" - „Harris" rückwärts geschrieben - wurde nach ihm benannt. „Harris" war schon vergeben - denn Alan Harris, der DLR-Wissenschaftler, hat - Überraschung! - tatsächlich einen älteren Namensvetter aus den USA, der ebenfalls Astrophysiker und Namensgeber eines Asteroiden ist. Doch mit derlei Konstellationen kann der DLR-Forscher gut leben. Schließlich ist er es gewohnt, nach den Sternen zu greifen.

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Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR)

Elisabeth Mittelbach
Kommunikation; Redaktion Verkehr, Weltraum
Tel.: +49 2203 601-3900