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Einfach die Sonne tanken – Solarforscherin Martina Neises

Eines Tages können wir Sonnenenergie tanken, so die Vision von Martina Neises. Und daran arbeitet sie. Als Doktorandin in der Solarforschung beim Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) in Köln forscht sie an einem Verfahren, mit dem Wasserstoff durch Sonnenenergie hergestellt werden kann.

Martina Neises: Doktorarbeit soll nicht in der Schublade verschwinden

Erste Schritte auf diesem Weg sind DLR-Wissenschaftlern zusammen mit Partnern aus anderen Forschungseinrichtungen und der Industrie bereits geglückt. Martina Neises will dieses Verfahren nun verbessern.

Viele Angebote - ein hoher Anspruch


Am Ende ihres Maschinenbau-Studiums an der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule Aachen hatte Martina Neises mehrere Angebote, ihre Diplomarbeit zu schreiben - und einen hohen Anspruch: „Ich wollte an etwas arbeiten, das unser Leben in Zukunft positiv verändert." Als sie in einer Vorlesung über konzentrierende Solartechnik die Forschungsgebiete des DLR kennenlernte, wusste sie sehr schnell: Auf diesem Gebiet wollte sie forschen. Nach ihrer Diplomarbeit am DLR-Institut für Technische Thermodynamik in Köln begann sie mit ihrer Doktorarbeit zur solaren Wasserstoffproduktion.

Forschen auf der Plataforma Solar in Almería

„Mathe und Physik konnte ich immer gut", erinnert sich Martina Neises. Tüfteln, ausprobieren und anpacken war sie aus ihrer Kindheit im elterlichen landwirtschaftlichen Betrieb gewohnt. Heute tüftelt Martina Neises im Labor einer Großforschungseinrichtung. Ihre Aufgabe: Sie will den Reaktor, der mit Hilfe von Sonnenenergie Wasserstoff herstellt, optimieren. Ein Pilotreaktor wurde im Jahr 2008 auf der Plataforma Solar de Almería in Spanien aufgebaut. Dabei ist es den Forschern erstmals gelungen, auf einer Anlage im 100-Kilowatt-Maßstab Wasserstoff mit Hilfe von konzentrierter Sonnenenergie herzustellen. Nach demselben Prinzip wie auf der Plataforma Solar de Almería - allerdings wesentlich kleiner - hat die Maschinenbau-Ingenieurin in Köln die Hydrosol-Anlage nachgebaut.

Martina Neises ist eine ruhige junge Frau, entschlossen und präsent. Mit einer routinierten Handbewegung schiebt sie das große Schutzglas vor ihrem Versuchsaufbau nach oben und setzt ins Zentrum ihres kleinen Reaktors eine kreisrunde, im Durchmesser zweieinhalb Zentimeter große keramische Wabenstruktur ein. Dieser mit Eisenmischoxid beschichtete Zylinder ist das Herzstück des Reaktors, mit dem die DLR-Forscher mithilfe von Sonnenenergie Wasserstoff direkt herstellen. Die Sonne heizt dabei in einem ersten Reaktionsschritt die beschichtete Wabenstruktur des Reaktors auf 1200 Grad Celsius. Bei diesen Temperaturen wird die Eisenoxidbeschichtung der Waben chemisch reduziert, ein Teil des Sauerstoffs wird freigesetzt und aus dem Reaktor hinaus transportiert.

Im zweiten Schritt, dem eigentlichen Wasserspaltschritt, der bei 800 bis 1000 Grad Celsius abläuft, lässt die Forscherin Wasserdampf durch die Zylinderwaben strömen. Jetzt reagiert das reduzierte Eisenoxid mit dem Wasserdampf. Dieser spaltet sich, der Sauerstoff wird im Metalloxid gebunden und verbleibt in der Oxidbeschichtung der Keramikwaben, während der Energieträger Wasserstoff aus dem Reaktor herausströmt. Ist die Eisenoxidbeschichtung komplett oxidiert, wird sie wieder regeneriert und der Zyklus beginnt von neuem. Martina Neises' Forschungsreaktor arbeitet in Köln nicht mit Sonnenenergie sondern mit künstlich erzeugtem Sonnenlicht. So ist die Forscherin bei ihren Messungen nicht auf gutes Wetter angewiesen und hat außerdem immer die exakt gleichen Bedingungen bei ihren Versuchen. „Nur so kann ich meine Ergebnisse miteinander vergleichen", sagt die Wissenschaftlerin.

Martina Neises: Versuchsreaktor spaltet Wasserstoff und Sauerstoff

„Man muss eigene Ideen entwickeln"

Die Aufgabe der Forscherin während ihrer Doktorarbeit ist es, dieses Verfahren weiter zu verbessern: Wie muss die Eisenoxidbeschichtung beschaffen sein und welche Reaktionsbedingungen müssen vorliegen, damit möglichst viel Wasserstoff hergestellt werden kann, ohne dass das Material zu schnell ermüdet. Methoden, mit denen sie zu Antworten kommt, hat die 29-Jährige selbst erarbeitet. „Das ist im ersten Moment vielleicht nicht ganz einfach, da man ja zunächst ein Neuling auf dem Gebiet ist. Man muss eigene Ideen entwickeln. Aber so kann man am Ende auch voll und ganz hinter seinen Ergebnissen stehen", reflektiert Martina Neises ihr Vorgehen. Unterstützt wurde sie von ihren Kollegen aus der Abteilung Solarforschung. Außerdem konnte sie auf das Know-how von andern DLR-Forschungsbereichen zugreifen. So haben ihr zum Beispiel Forscher aus dem Institut für Werkstoff-Forschung bei der Untersuchung der beschichteten Wabenstrukturen geholfen.

„Wir haben gerade erst angefangen, an den Verfahren zu arbeiten"

Martina Neises weiß, dass ihre Forschungsergebnisse nicht in der Schublade landen, sondern dazu beitragen, dass zukünftige Anlagen leistungsstärker werden. In der Industrie könnte die Maschinenbau-Ingenieurin nach ihrem Studium bereits gutes Geld verdienen, aber derzeit hat sie andere Prioritäten: „Es ist meine persönliche Entscheidung, für die Forschung zu arbeiten. Es ist einfach ein innerer Drang, zu verstehen, wie Dinge funktionieren und in die Tiefe zu gehen. Das verbindet wahrscheinlich alle Forscher."

„Die Sonne bietet uns noch viele Möglichkeiten"

Vielleicht nicht morgen oder übermorgen, aber langfristig kann Wasserstoff eine wichtige Rolle in unserem Energie-Mix spielen. Vor allem wenn es um die Mobilität der Zukunft geht, sehen viele Experten in Wasserstoff das Potenzial zum Kraftstoff der Zukunft. Allerdings nur, wenn er ohne Kohlendioxid-Emissionen hergestellt werden kann, das heißt mit regenerativen Energien und kohlenstofffreien Rohstoffen. „Indem wir Wasserstoff in einem durch Sonnenenergie getriebenen chemischen Prozess herstellen, machen wir nichts anderes, als die Sonnenenergie zu speichern. Vielleicht kann ich irgendwann mein Auto mit Wasserstoff betanken und so mit Sonnenenergie fahren."

Martina Neises kennt aber auch die vielen Hürden, die auf dem langen Weg dorthin noch zu nehmen sind: Wie wird der Wasserstoff aus dem Sonnengürtel der Erde in unsere Breiten transportiert? Doch sie ist zuversichtlich: „Wir haben ja gerade erst angefangen, an den Verfahren zu arbeiten. Da gibt es jede Menge Entwicklungspotenzial."

Sonnige Jobaussichten

Wenn die Wissenschaftlerin ihrer Doktorarbeit abgeschlossen hat, kann sie sich gut vorstellen für einige Zeit ins Ausland zu gehen. „Nicht weil es mir hier nicht gefällt, sondern weil die Neugierde überwiegt", sagt sie. Ein Netzwerk von internationalen Forschern hat sie bereits. Einmal im Jahr trifft sie auf dem SOLLAB-Kolloquium (Alliance of European Laboratories for Research and Technology on Solar Concentrating Systems) Forscher und Doktoranden aus ganz Europa. Aus einigen Kontakten sind inzwischen Freundschaften entstanden.

Auf ihre Jobaussichten angesprochen, hebt sie die Schultern und lächelt: „Der zunehmende Bau von solarthermischen Kraftwerken auf der ganzen Welt und die Entwicklungen der letzten Jahre bestätigen, dass konzentrierende Solarsysteme in der Energieversorgung der Zukunft eine große Rolle spielen werden. Und wir sind noch lange nicht am Ende der Möglichkeiten, die uns die Sonne bietet. So gesehen werden meine und unsere Aussichten immer besser."